Burkina Faso

Damit Frauen ihr eigenes Geld verdienen

Dieser Bericht erschien am 3.3.2021 in der Rhein-Neckar-Zeitung auf Seite 9.

Von Anton Ottmann

Walldorf/Burkina Faso. Die kleine Fatou weint bitterlich, als sie der Lehrer ohne Maske nach Hause schickt. Die Mutter hatte diese am Abend nicht gewaschen. Dass nur eine saubere Maske gegen Ansteckung hilft, weiß Fatou von Cathérine Eklou, die mit ihrem Team regelmäßig die Schulen im Einzugsbereich von Quagadougou, der Hauptstadt des westafrikanischen Landes Burkina Faso, bereist.

Eklou hat dafür gesorgt, dass in den Schulen Masken für die Kinder genäht werden, außerdem verteilte sie Wasserbehälter und Seife, damit sich die Schüler regelmäßig die Hände waschen können, was hier nicht selbstverständlich ist. Der Regierung fehlt das Geld, um die versprochenen Masken und Hygienemittel zu liefern, und auch die Autorität um Corona-Schutzmaßnahmen durchzusetzen.

Das 20 Millionen Einwohner zählende Burkina Faso gehört mit seinem tropischen Klima und den Savannenlandschaften zu den fünf ärmsten Ländern der Welt. Hier werden etwa 60 einheimische Sprachen gesprochen, und neben Naturreligionen ist der Islam die meistpraktizierte Religion. Mehr als 800 000 Menschen wurden in den letzten Jahren durch bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen aus dem Norden des Landes vertrieben und fristen nun im Rest des Landes ein kümmerliches Dasein.

Zurzeit weist das Land eine der höchsten Coronavirus-Infektionsraten der Subsahara-Staaten auf, eine Katastrophe, denn zur gleichen Zeit liegt das Gesundheitssystem vollkommen am Boden. Die erste Infektion mit Covid-19 wurde für Burkina Faso am 9. März 2020 bestätigt, hereingetragen durch ein Pastorenehepaar, das im Elsass an einer großen Versammlung von Evangelisten teilgenommen hatte. Seither steigen die Fallzahlen in neun von 13 Regionen rasant, weil die Menschen durch Missernten und Malariaerkrankungen bereits stark geschwächt sind. Offiziell herrscht Ausgangssperre, Schulen, Universitäten, alle religiösen Einrichtungen und die Märkte sind geschlossen. Aber wie soll man Menschen verständlich machen, dass sie zu Hause bleiben müssen, wenn sie nichts mehr zu essen haben?

Nicht ganz so dramatisch sieht es in der Region aus, in der Eklou mit ihrer gemeinnützigen Organisation Apersec (association notre dame du perpétuel secours) arbeitet, auch dank der Präventionsmaßnahmen und der Aufklärung, die die gebürtige Ghanaerin durchgesetzt hat. Eklou machte in Freiburg die Ausbildung zur Krankenschwester und lebt mit ihrem Mann seit 20 Jahren in Burkina Faso. Vor 18 Jahren gründete sie ihre Hilfsorganisation, die von dem Walldorfer Verein „Hilfe zur Selbsthilfe“ regelmäßig finanziell unterstützt wird.

Mit ihrem Team, bestehend aus drei Hebammen, zwei Pflegern und einem Fahrer, besucht sie weit entlegene Dörfer. Sie selbst spricht zwar die Amtssprache Französisch, die Hebammen müssen aber in die afrikanischen Landessprachen übersetzen. Eklou hatte schon früh erkannt, dass die Hauptursache vieler Erkrankungen Unsauberkeit ist. So wurde neben der medizinischen Versorgung die Aufklärung über Hygiene zu einem wichtigen Aufgabengebiet der Apersec, genauso wie über Empfängnisverhütung.

Um die medizinische Versorgung in den abgelegenen Dörfern zu verbessern, werden Frauen und Männer zu einer einwöchigen Ausbildung in die Hauptstadt eingeladen, wo sie zu Multiplikatoren ausgebildet werden. Dazu gehört Blutdruck und Fieber messen, saubere Verbände anlegen und fiebersenkende Mittel verabreichen. Ihre Erfolge sprachen sich schnell herum, sodass heute 35 Dörfer mit einer Bevölkerung von rund 50 000 Menschen auf diese Weise versorgt werden. Eklou hatte schnell erkannt, dass meist fehlende Brunnen der Grund für die mangelnde Hygiene sind.

Deshalb hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, bei ihren Besuchen in Deutschland Geld für den Brunnenbau einzuwerben. 2015 wurde in einem Vorort der Hauptstadt ein Stützpunkt für ambulante Krankenversorgung eröffnet. Dort können sich die Menschen aus den Dörfern von Fachärzten für ein geringes Entgelt untersuchen und behandeln lassen. Daneben gibt es ein kleines Labor, sodass ernsthaft erkrankte Patienten mit einer fundierten Diagnose an eine Klinik weitergeschickt werden können.

Der Stützpunkt ist auch auf Entbindungen eingerichtet. Frauen können hier in einer freundlichen und sauberen Umgebung ihre Kinder zur Welt bringen und lernen, wie sie ihre Neugeborenen pflegen müssen. Dazu gehört, dass sie die Babys nicht zu lange stillen dürfen und ihnen bei Durchfall die reichlich vorhandenen Früchte des Affenbrotbaums füttern sollen. Verdachtsfälle von Covid-19-Erkrankungen werden an ein für Covid-Patienten reserviertes Krankenhaus in der Hauptstadt überwiesen.

Von der zuständigen Projektleiterin Sigrid Tuengerthal aus Walldorf erfuhr die RNZ, dass „Hilfe zur Selbsthilfe“ auch Mikrokredite in Höhe von jeweils 50 Euro gewährt, die Eklou an Frauen zur Eröffnung kleiner Geschäfte oder einer Viehzucht weitergibt. Das selbst verdiente Geld sei wichtig, um von ihren traditionell eingestellten Männern finanziell unabhängig zu werden. Sie schöpfen daraus Selbstbewusstsein und sorgen viel eher für die dringend notwendige Geburtenkontrolle in einem Land mit einer explodierenden jungen Bevölkerung.

Der Walldorfer Verein hat außerdem die Gründung einer Schneiderwerkstatt ermöglicht, in der junge Frauen eine dreijährige Ausbildung durchlaufen und danach mit einer geschenkten Nähmaschine eigenes Geld verdienen können.